Musterprozess gegen Zwangsmitgliedschaft
Produktion, Ausgabe 30/31, 31. Juli 2003
www.produktion.de
Mühlheim am Main. Gegen die Zwangsmitgliedschaft in der
Berufsgenossenschaft (BG) hat die Sattler-Kunststoffwerk GmbH eine
Klage eingereicht.
Es begann mit einer Lappalie: bei Wartungsarbeiten verletzte sich
ein Arbeiter der Sattler Kunststoffwerk GmbH mit einer Eisenstange
leicht am Kopf. Weil der Arbeitnehmer länger als drei Tage
krankgeschrieben wurde, war dieser Unfall meldepflichtig. "Wir staunten
nicht schlecht, als daraufhin die Berufsgenossenschaft den Beitrag für
dieses Versicherungsjahr drastisch erhöhte", erinnert sich der
Geschäftsführer der Sattler GmbH, Michael Trapp: "Obwohl die Kosten des
Unfalls maximal einige Hundert Euro betrugen, mussten wir knapp 6000
EURO mehr an Beitrag zahlen.
Klage beim Sozialgericht Frankfurt eingereicht
Das brachte für Trapp das Fass zum überlaufen: Schon lange ärgerte
er sich über die hohen Zwangsbeiträge an die Berufsgenossenschaft.
Deshalb reicht die Sattler GmbH Klage beim Sozialgericht in frankfurt
ein. Unterstütz wird sie dabei vom Gesamtverband der
Kunststoffverarbeitenden Industrie (GKV) und dem Bund der Steuerzahler
(BdSt).
"Der Frust über die Berufsgenossenschaften, horrende
Beitragssteigerungen und Willkürmaßnahmen sitzt bei den
mittelständischen Unternehmern sehr tief", stellte Ulf Kelterborn,
Sprecher der GKV-Geschäftsführung fest. Experten rechnen damit, dass
sich die Kosten für die betriebliche Unfallversicherung bei gleichem
Leistungsumfang nahezu halbieren könnten, wenn private Wettbewerber
zugelassen werden.
An einer vom GKV organisierten Expertenrunde
hatte Prof. Richard Giesen von der TU Darmstadt die Auffassung
vertreten, dass das Monopol (Ausschließlichkeitsrecht) der
Berufsgenossenschaften nach europäischem Recht anfechtbar sei. Giesen
hat 1994 über das Unfallversicherungsmonopol der Berufsgenossenschaften
(Sozialversicherungsmonopol und EG-Vertrag) promoviert und dabei
bereits frühzeitig Position gegen die gängige und publizierte
Rechtsauffassung bezogen.
Prozessdauer noch völlig offen
Auf jeden Fall sei die Rechtslage außerordentlich kompliziert, der Erfolg des Musterprozesses seiner Meinung nach völlig offen. Laut
Trapp sei die Dauer des Prozesses noch nicht absehbar: "Bislang ist
noch nicht einmal ein erster Verhandlungstermin angesetzt", ergänzt
Trapp: "Aber wir rechnen mit einem Zeitraum von einigen Jahren." Der
GKV und der BdSt haben jedenfalls beschlossen, die Sattler GmbH weithin
politisch zu unterstützen und Bündnispartner für das Verfahren zu
gewinnen.